Ein Foto und seine Geschichte

Das Haus Rosenthaler Straße 39 entstand 1864 anstelle eines 1769 errichteten Vorgängerbaus. Dabei wurde der 1831 für eine Messerschmiede erbaute Seitenflügel erweitert und auf drei bis vier Geschosse aufgestockt. Bis 1907 folgten auf dem hinteren abgewinkelten Teil der Parzelle, auf dem ursprünglich ein Garten angelegt war, weitere fünfgeschossige Gewerbebauten.

Im ersten Obergeschoss des vorderen lang gestreckten Seitenflügels betrieb von 1940 bis 1944 der überzeugte Pazifist Otto Weidt eine Bürstenbinderwerkstatt. Otto Weidt beschäftigte ca. 30, zumeist blinde und taubstumme jüdische Mitarbeiter. Als ab 1941 Berliner Juden deportiert wurden, gelang es ihm als Wehrmachtslieferanten, diese jüdischen Arbeiter als „kriegswichtige“ Mitarbeiter einstufen zu lassen und deren Deportation für einige Zeit zu verhindern. Otto Weidt verhalf verfolgten Juden zu einer neuen Identität, indem er Ausweise und Arbeitsbücher beschaffte, und er versorgte sie mit Lebensmitteln.

Er versteckte von der Deportation bedrohte jüdische Mitarbeiter und deren Familien unter anderem auch in den Räumen der Werkstatt. Leben und Arbeiten in der Zeit des Nationalsozialismus für verfolgte und in ihrer menschlichen Existenz akut bedrohte jüdische Bürger lassen sich in diesen Räumen ebenso verorten wie die couragierte, die eigene Gefährdung missachtende aktive Hilfe, die von Einzelnen geleistet wurde, um das Leben von Juden zu retten.

Die Blindenwerkstatt von Otto Weidt ist ein wichtiger und anschaulicher Ort für den tätigen Humanismus, der Verweigerung und den Widerstand in der Zeit der nationalsozialistischen Diktatur. 1947 verstorben, wird Otto Weidt in der nationalen israelischen Gedenkstätte „Yad Vashem“ als einer der „Gerechten unter den Völkern“ gedacht. An ihn und diese Ereignisse erinnert eine 1993 in der Durchfahrt des Vorderhauses Rosenthaler Straße 39 angebrachte schlichte Gedenktafel. In den Räumen der ehemaligen Blindenwerkstatt ist seit März 1999 eine kleine Ausstellung untergebracht.

Quellen: https://www.stadtentwicklung.berlin.de, Wikipedia, Privat.

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